Aufnahmen mit Graufilter
Tipps & Tricks für das perfekte Reisefoto
Allgemein
Graufilter kommen in der Fotografie immer dann zum Einsatz, wenn für bestimmte Motive eine lange Belichtungszeit gewünscht ist, diese Belichtungszeit aber aufgrund zu großer Umgebungshelligkeit durch einfaches Abblenden des Objektivs (höhere Blendenzahl) nicht eingestellt werden kann. In diesem Fall muss das zu fotografierende Motiv künstlich abgedunkelt werden.
Ich verwende Graufilter, selbstverständlich stets in Verbindung mit einem Fotostativ, vorwiegend in folgenden Situationen:
- Darstellung fließender Gewässer mit starker Bewegungsunschärfe
- starke Bewegungsunschärfe beim Fotografieren von Meeresbrandung
- leichte Bewegungsunschärfe bei Wasserspiegelungen mit unruhiger Wasseroberfläche zum Erzielen einer samtartigen Struktur der Wasseroberfläche
- Nächtliche Architekturaufnahmen zum effektvollen Abbilden des fließenden Autoverkehrs
- Architekturaufnahmen an belebten Plätzen zum Herausfiltern von Passanten und fahrenden Autos
Beim Einsatz von Graufiltern muss beachtet werden, dass es speziell bei stark abdunkelnden Filtern mit hohem Verlängerungsfaktor zu Farbverschiebungen kommt. Die Farbbalance verändert sich dann in Richtung wärmerer Farbtöne.
Bewegungsunschärfe bei fließenden Gewässern und bei Meeresbrandung
Durch die Verlängerung der Belichtungszeit auf 1 oder 2 Sekunden kann bei einem schnell fließenden Gewässer die Bewegung des Wassers am besten verdeutlicht werden.
Bei einer weiteren Verlängerung der Belichtungszeit, z.B. auf 5 Sekunden oder mehr, wäre keinerlei Struktur mehr in der Wasseroberfläche zu erkennen. Der Bach würde nur als "nebliges, diffuses Gebilde" erscheinen.
Auch muss beachtet werden, dass bei sehr langen Belichtungszeiten umliegende, bewegliche Objekte (z.B. Blätter, Zweige, Blumen) im Foto zunehmend unscharf abgebildet werden. Dies tritt besonders bei mittleren bis starken Windböen zu. Ein kurzer Check der Wetterlage vorab ist bei derartigen Aufnahmen in jedem Fall sinnvoll.
Beim Fotografieren von Meeresbrandung verwende ich vorwiegend lange Belichtungszeiten. Dadurch verliert das anströmende Wasser zunehmend an Struktur und man erzielt zusammen mit den Steinen am Strand einen mystischen, nebligen Effekt.
Da sich bei derartigen Motiven lediglich statische Objekte (z.B. Felsen am Strand) im Bildausschnitt befinden, wird auch bei langen Belichtungszeiten das gesamte Motiv scharf abgebildet.
Wasserspiegelungen mit unruhiger Wasseroberfläche
Ein weiterer interessanter Effekt kann beispielsweise bei Abend- oder Nachtaufnahmen erzielt werden, wenn sich beleuchtete Gebäude in einer leicht unruhigen Wasseroberfläche spiegeln.
Durch die Verlängerung der Belichtungszeit mit Hilfe eines Graufilters "verwischt" die unruhige Wasseroberfläche und wird mit einer weichen, samtartigen Struktur auf dem Foto abgebildet. Dadurch erscheint die gesamte Aufnahme harmonischer und erlaubt es dem Betrachter, sich auf den Schwerpunkt des Fotos zu konzentrieren.
Bei derartigen Bedingungen in der Dunkelheit reicht zur Verlängerung der Belichtungszeit meist ein Abblenden des Objektivs aus, sodass der Einsatz eines Graufilters nicht unbedingt notwendig ist. Für die Aufnahme dieses Fotos verwendete ich lediglich einen Polarisationsfilter, dessen abdunkelnde Wirkung für dieses Motiv bereits ausreichte.
Nächtliche Architekturaufnahmen
Beim Fotografieren von Architektur in der Dunkelheit ist es oft unvermeidbar, dass sich die Scheinwerfer oder Rücklichter vorbeifahrender Fahrzeuge durch das Bildfeld bewegen. Da sich bei derartigen Lichtverhältnissen typischerweise Belichtungszeiten von einigen Sekunden (natürlich mit einem Fotostativ) ergeben, erscheinen diese Lichter als kurze weiße oder rote Linien auf dem Foto.
Dies wirkt oft störend, lenkt vom eigentlichen Motiv ab und beeinträchtigt den Gesamteindruck des Fotos. Die als Linien abgebildeten Lichter vorbeifahrender Fahrzeuge kann der Fotograf aber auch bewusst als Gestaltungsmittel einsetzen. So werden die Scheinwerfer oder Rücklichter einer großen Anzahl an Fahrzeugen nicht als einzelne Linien sonder als "leuchtendes Band" abgebildet, welches sich gezielt in die Bildkomposition einbauen lässt. Voraussetzung ist eine ausreichend lange Belichtungszeit, um möglichst viele vorbeifahrende Fahrzeuge auf einem einzigen Foto zu erfassen.
Diese Verlängerung der Belichtungszeit kann auch hier durch einen Graufilter erfolgen. So wird bei Verwendung eines Graufilters "ND 1,2" die Belichtungszeit um das 16-Fache auf etwa 30 bis 60 Sekunden verlängert. In dieser Zeitspanne bewegen sich bei entsprechendem Verkehrsaufkommen ausreichend Fahrzeuge durch das Bildfeld und erzeugen einen Effekt, wie er im folgenden Foto dargestellt wird.
Arten von Graufiltern
Die Bezeichnung der Graufilter im Einzelhandel erfolgt nicht eindeutig. Oft wird z.B. ein Graufilter mit einer hundertfachen Verlängerung der Belichtungszeit als "ND 2,0" bezeichnet. Der Zahlenwert gibt somit den Wert der Neutraldichte des Filters an. Andere Hersteller geben mit dem Zahlenwert dagegen den Verlängerungsfaktor der Belichtungszeit an, sodass ein Graufilter "ND4" die Belichtungszeit nicht um den Faktor 10.000 verlängert, sondern lediglich um das Vierfache. Hierbei handelt es sich also in Wirklichkeit um einen Filter des Typs "ND 0,6".
Graufilter werden auch als Neutraldichtefilter bezeichnet, da sie nur einen Teil des Lichts bei neutraler Farbwiedergabe hindurchlassen. Sie werden vorwiegend als Schraubfilter zum Aufschrauben auf das Objektiv mit verschieden Durchmessern angeboten. Die folgende Tabelle zeigt eine kurze Übersicht der gebräuchlichsten Filtertypen:
Neutraldichte ND | Faktor Belichtungszeit | Lichtdurchlässigkeit |
---|---|---|
0,3 | x 2 | 50% |
0,6 | x 4 | 25% |
0,9 | x 8 | 12,5% |
1,0 | x 10 | 10% |
1,2 | x 16 | 6,3% |
2,0 | x 100 | 1 % |
3,0 | x 1.000 | 0,1% |
4,0 | x 10.000 | 0,01% |
5,0 | x 100.000 | 0,001% |
Farbbalance von Graufiltern
Die Bezeichnung Neutraldichtefilter suggeriert eine unveränderte, ausgewogene Farbbalance bei Verwendung eines Graufilters. Es sollte sich daher keine Veränderung bezüglich der Farbtemperatur im Vergleich zu einer Aufnahme ohne Filter ergeben.
Dies trifft bei Filtern mit kleinem Verlängerungsfaktor sowie bei hochwertigen Graufiltern sicherlich auch zu. Den Erwerb eines vermeintlich günstigen Filters mit hohem Verlängerungsfaktor sollte sich der ambitionierte Fotograf jedoch genau überlegen.
Bereits bei einem Filter des Typs "ND 2,0" mit hundertfacher Verlängerung der Belichtungszeit ist eine leichte Farbverschiebung erkennbar. Nach meinem subjektiven Eindruck findet diese Veränderung der Farbbalance vorwiegend in Richtung wärmerer Farbtöne statt. Das Foto erscheint insgesamt etwas bräunlicher. Dieser Effekt wird umso stärker, je lichtundurchlässiger der Graufilter ist.
Im Bespielfoto links wurde die obere Aufnahme farbneutral mit einem Graufilter "ND 1,2" erstellt. Bei der unteren Aufnahme kam jedoch ein Graufilter "ND 2,0" zum Einsatz, dessen Farbverschiebung deutlich zu erkennen ist.
Mit etwas Aufwand und geeigneten Software-Werkzeugen wird man diesen Farbstich sicherlich halbwegs neutralisieren können. Doch Farbinformationen, die erst einmal fehlen, lassen sich auch mit der intelligentesten Software nicht wiederherstellen.